Dass Bielefeld Sitz des Landgerichts wurde, hatte nicht von vornherein festgestanden. Vielmehr war es das Ergebnis eines seit 1877 andauernden zähen Ringens zwischen den Städten Bielefeld, Herford und Minden. Die Regierungsvorlage hatte Minden als Sitz des Landgerichts vorgeschlagen. Darauf kam es zu einer Unmenge von Petitionen aus allen Kreisen der Bevölkerung, die sich je nach Interessenlage für eine der drei Städte einsetzten.
Die 12. Kommission des Abgeordnetenhauses entschied sich unter ihrem Vorsitzenden Dr. Löwenstein, dem späteren ersten Landgerichtspräsidenten in Bielefeld, mit Mehrheit für Bielefeld. Dieser Beschluss ging an das Herrenhaus, das am 30.01.1878 die Regierungsvorlage wieder herstellte, also für Minden stimmte.
Nunmehr begann im Abgeordnetenhaus erneut der Kampf um den Sitz des Landgerichts. Dabei trat besonders der Abgeordnete Eduard Windthorst, Kreisgerichtsrat in Bielefeld, hervor. Nachdem Stadt- und Landkreis Herford telegrafisch erklärt hatten, für den Fall, dass Herford nicht gewählt werde, sei Bielefeld vorzuziehen, stellte das Abgeordnetenhaus seinen alten Beschluss hinsichtlich Bielefelds wieder her, so dass die Sache erneut dem Herrenhaus vorgelegt wurde Die dortige Kommission entschied sich nunmehr für Bielefeld.
Nachdem die Stadt Minden im Herrenhaus ihren Antrag, Minden zum Sitz des Landgerichts zu wählen, auf Bitten des Justizministers im Interesse eines baldigen Zustandekommens des Gesetzes zurückgezogen hatte, bestimmte das Herrenhaus in seiner Sitzung vom 06.02.1878 Bielefeld zum Sitz des Landgerichts. Damit konnte das Gesetz am 04.03.1878 in Kraft treten.
Als der Abgeordnete Eduard Windthorst der Stadt Bielefeld telegrafisch mitteilen konnte, " Bielefeld hat auch im Herrenhaus gesiegt", löste dieses Telegramm in der Stadt große Begeisterung aus. Eduard Windthorst wurde zum Ehrenbürger der Stadt ernannt, später erhielt auch eine Straße seinen Namen.
Als am 01.10.1879 die Reichsjustizgesetze in Kraft traten und der Landgerichtsbezirk Bielefeld seine Tätigkeit aufnahm, wurde erster Präsident des Landgerichts Bielefeld der bereits erwähnte Abgeordnete Dr. Löwenstein, der seit 1872 Appellationsgerichtsrat in Hamm war.
Er eröffnete damit die lange Reihe der Bielefelder Landgerichtspräsidenten, von denen jeder auf seine eigene Art und Weise das Bild der Justiz im hiesigen Bezirk irgendwie mitgeprägt hat.
Ihre Tätigkeit im einzelnen einer Würdigung zu unterziehen, ist nicht Aufgabe dieser Abhandlung. Vielmehr muss es genügen, sie in zeitliche Reihenfolge zu nennen.
Präsidenten des Landgerichts Bielefeld waren:
1879 - 1884 Dr. Otto v. Loewenstein
1884 - 1893 Leopold von Kunowski
1893 - 1901 Ferdinand Müller
1901 - 1904 Ernst Freyse
1904 - 1908 Ernst Barre
1908 - 1918 Friedrich Waitz
1918 - 1932 Otto Rospatt
1932 - 1936 Otto Rudorff
1936 - 1945 Heinrich Pfeil
1946 - 1947 Dr. Heinrich Wiedemann
1948 - 1960 Hans Kuhlo
1960 - 1963 Dr. Hans-Heinrich Thunecke
1964 - 1967 Dr. Friedemann Freiherr von Münchhausen
1967 - 1975 Karl Neuhaus
1975 - 1983 Dr. Werner Vinke
1984 - 1988 Dr. Heinz Palm
1989 - 1993 Dr. Klaus Bilda
1994 - 2006 Uwe Jürgens
2006 - 2015 Dr. Günter Schwieren
seit 2016 Klaus Petermann
Das Landgericht Bielefeld nahm seine Tätigkeit im Gebäude des bisherigen Kreisgerichts, dem späteren Amtsgerichtsgebäude I und heutigem Sitz des Arbeitsgerichts Bielefeld an der Detmolder Straße auf, das in den Jahren 1877 bis 1878 erweitert worden war.
Für das ebenfalls aufgrund der Reichsjustizgesetze geschaffene Amtsgericht Bielefeld war inzwischen in den Jahren 1877 bis 1879 das spätere Amtsgerichtsgebäude II an der Gerichtsstraße gebaut worden. Im Laufe der folgenden Jahre begann die Bevölkerungszahl des Landgerichtsbezirks Bielefeld zu steigen. Mit ihr verbunden war der Anstieg des Geschäftsanfalls bei den Gerichten.
Damit begann die Raumnot der Bielefelder Justizbehörden. Man entschloss sich daher Anfang dieses Jahrhunderts, ein neues Landgerichtsgebäude zu errichten, was in den Jahren 1914 bis 1917 geschah.
Nach dem 2. Weltkrieg kam es in den sechziger Jahren erneut zu einem erheblichen Anstieg der Bevölkerungszahl und des Geschäftsanfalls der Gerichte. Man richtete als Notlösung Nebenstellen ein, begann aber gleichzeitig mit der Planung neuer Justizgebäude. 1966 konnte schließlich mit den Bauarbeiten für den Erweiterungsbau am Landgericht begonnen werden.
Am 07.11.1967 war Richtfest, im Herbst 1969 konnte der Erweiterungsbau bezogen werden. Schon jetzt zeigt sich aber, dass das Raumproblem der Bielefelder Justizbehörden damit keineswegs gelöst ist, so dass weitere Baumaßnahmen im Gebiet zwischen Detmolder Straße, Gerichtsstraße, Rohrteichstraße und Ulmenwall notwendig und deshalb auch schon geplant sind.
Im Interesse aller im Rahmen des Gerichtswesens tätigen Personen, vor allem aber auch im Interesse des rechtssuchenden Bürgers liegt es, dass sie hoffentlich recht bald zur Durchführung kommen.
Als der Landgerichtsbezirk Bielefeld am 01.10.1879 gegründet wurde, bestand er aus den Bezirken der Amtsgerichte Bielefeld, Bad Oeynhausen, Bünde, Gütersloh, Halle, Herford, Lübbecke, Minden, Petershagen, Rahden, Rheda, Rietberg, Vlotho und Wiedenbrück.
Diese Gliederung ist bis heute mit Ausnahme der Amtsgerichte in Petershagen, Rheda, Rietberg und Vlotho geblieben. Sie sind als "kleine Amtsgerichte" inzwischen der Gebiets- und Justizreform zum Opfer gefallen.
Die Geschichte der Amtsgerichte im einzelnen darzustellen, würde sicher interessant sein, aber den Rahmen der vorstehenden Abhandlung sprengen. Das gilt auch für die Geschichte der Staatsanwaltschaft des Landgerichtsbezirks Bielefeld.
Abgesehen von den genannten Änderungen in der Gerichtsorganisation haben die Reichsjustizgesetze in der Zeit vom 01.10.1879 bis heute auch sonst manche inhaltlichen Veränderungen hinnehmen müssen. Ob sie immer gut waren, wird nicht nur unter Juristen oft lebhaft umstritten.
Autor
Dr. Karl-Heinz Sundermann
ehemals: Vorsitzender Richter am Landgericht
und Pressesprecher des Landgerichts Bielefeld